Sonntag, 12. August 2018

Jakobskreuzkraut und Engerlinge bedrohen dürregeschädigte Wiesen

Dürre Wiesen: ein attraktiver Brutplatz für Engerlinge und Jakobskreuzkraut

Die extreme Dürre von Mai bis August 2017 in Teilen Ostösterreichs und Tirols führte zum Totalausfall des zweiten und dritten Wiesenaufwuchses. Ein breiter Landstrich vom Bezirk Melk bis Gmünd ist besonders betroffen. Die vielen Tropentage mit Temperaturen über 35 °C und eine neue Rekordzahl an Hitzetagen mit über 30 °C verstärken im extensiven Grünland zwei Problembereiche: Narbenschäden durch Engerlinge und die Ausbreitung wärmeliebender Unkräuter, im Speziellen das giftige Jakobskreuzkraut. Über Vorbeugemaßnahmen berichtet der Grünlandexperte Dipl.-Ing. Johann HUMER.

Wärme zeigt Engerlingen lückige Grasnarben
Die hohe Sonneneinstrahlung auf lückigen und dürregeschädigten Wiesen führt zu einer Aufheizung des Bodens. Wiesen mit wenig Futterwuchs sind daher besonders betroffen. Diese Zustände bilden eine hohe Attraktivität für die Eiablage der Mai- und der Junikäfer, aus denen die wiesenschädigenden Engerlinge schlüpfen. Dieser Baum- und Wiesenschädling orientiert sich bei der Eiablage an der deutlich höheren Wärmeabstrahlung von Wiesen mit schütterem Bewuchs. Lichte Vegetationsdecken mit starker Sonneneinstrahlung bilden besondere Anziehungspunkte und Brutstätten für Schadinsekten. Gleichzeitig nehmen wärmeliebender Unkräuter überhand. Höchstes Augenmerk bedarf in nächster Zeit das hochgiftige Jakobskreuzkraut, denn die Dürre begünstigt seine Ausbreitung in vernachlässigtem Grünland besonders. 
Die schädigenden wurzelfressenden Engerlinge, die Larven der Mai- und der Junikäfer profitieren durch den klimatischen Temperaturanstieg. Auch die fetten Tipulalarven der Wiesenschnaken (eine Großmückenart) sind im Grünland bedeutende Wurzelfresser. Bei ihrem Reifungsfraß fressen sich die Larven an den Wurzeln der Grasnarbe bis zur Flugreife als Käfer oder Großmücke satt. Der Wurzelfraß von Engerlingen und Schnaken kann so stark werden, dass Wiesen fleckenweise absterben und braun werden. Die Schäden treten bevorzugt an lokalen Wärmeinseln, wie sonnig trockenen Hängen und in windgeschützten, warmen Flusstälern auf. Der Befall wird erst im zweiten und dritten Jahr sichtbar, wenn der Hauptfraß der Larven erfolgt. Ein sicheres Zeichen für starken Engerlingsbefall ist, wenn die Wiesennarbe vom Boden plötzlich abrutscht und den Halt verliert. Bei warmen Temperaturen findet man direkt unter der abgestorbenen Narbe massenhaft die weißen, fetten Engerlingslarven. Die genaue Untersuchung der Wiesennarbe zeigt, dass bevorzugt die Wurzeln der Wiesengräser abgefressen werden. Das führt zur erhöhten Rutschgefahr und Futterverschmutzung bei der Ernte. Betroffen sind Wiesen mit typisch spärlichem Futterwuchs, wo durch Extensivierung kaum oder nicht mehr gedüngt wird. Dramatisch wird die Situation, wenn zuerst die Dürre und nachfolgend Engerlingsplagen und Wildschweine die Wiesen zerstören. Derartige Schadensanhäufungen zeigen Fälle 2006 im Gailtal, 2016 in Reisseck (Ktn) und 2012 im Bezirk Rohrbach (OÖ). Daher sollte man vor solchen Katastrophen gerüstet sein, wenn Wiesen für das Einkommen aus der Tierhaltung entscheidend sind. Wenn auch nicht in allen exponierten Wiesen Engerlingsschäden auftreten, lückige Narben sollten nach Dürren mit Futtergräsern repariert werden um Ertragsverlusten und Unkrautausbreitung vorzubeugen. 


Folgeschäden durch Wildschweine
Wo es massenhaft Engerlinge gibt, werden auch andere Tiere auf die fetten Engerlingslarven als interessante Nahrungsquelle aufmerksam. Dazu gehören der Maulwurf, die Feldmaus, Wildschweine, der Dachs und die Krähen. Alle zerstören bei der Insektensuche zusätzlich die Wiesenarbe. Die größten Folgeschäden verursachen Wildschweine. Sie durchwühlen bevorzugt extensive Wiesen verstreut an mehreren Stellen. Die Nahrungssuche mit Wühltätigkeit hinterlässt ein „wildes Problemfeld“ mit Löchern und aufgeschobenen Erdhaufen und Wasenresten. Bei höherer Zahl verstreuter Wühlstellen ist der Reparaturaufwand so groß, sodass eine Wiesenneuanlage notwendig ist. Selbst die Entschädigung des Wildschadens betroffener Flächen gleicht mehr einem Hindernislauf, als einer Abhilfe, infolge mehrfacher Interessenskonflikte, die schon bis zur Auswegslosigkeit mit Suiziden führten.

Schäden durch Nager
In den vergangenen Jahren kam es mit dem Temperaturanstieg gleichzeitig zu einer starken Zunahme von extrem großen Maulwurfshügeln in Wiesen. Die Folgen sind Futterverschmutzung von Silagen durch Erde und Futterverluste. In Extremfällen führt das zur Futterverweigerung ganzer Silopartien und reicht bis zum Tod von Vieh infolge von mit Clostridien verseuchtem Futter. Auch bei den Wühlmäusen ist eine Zunahme der Schäden in der Wiesennarbe (durch die vielen Löcher und den Wühlgängen) zu beobachten. Große Wiesenflächen können über den Winter durch Mäuse zerstört werden. Alle Fresser von Engerlingen sind Profiteure des steigenden Insektenbesatzes in Grünlandböden. Bewährt hat sich in der Abwehr von Nagern das Aufstellen von Sitzstangen für Greifvögel und das konsequente Fangen der Schädlinge mit Fallen sowie die Beobachtung von Neueinwanderungen.
Die auffällige Zunahme der Fraßfeinde als Profiteure von Engerlingen ist ein Hinweis, dass immer mehr wärmeliebende Schädlinge von den Wurzeln der Futtergräser leben und sie zerstören. Wurzelschädlinge sind damit mitverantwortlich für den Ertragsverlust durch Lückenbildung der Grasnarbe und damit gleichzeitig Wegbereiter für die Unkrautansiedelung. Die starke Zunahme und Zuwanderung vieler Schadinsekten wird durch die zunehmend globale Erderwärmung begünstigt. Das erklärt auch die massive Schadenszunahme von wohl bekannten und immer aggressiver schädigenden Insekten wie Getreidehähnchen, Maiswurzelbohrer, Kartoffelkäfer, Borkenkäfer, Schnellkäfer (Drahtwurm), Laufkäfer, Rüsselkäfer, Heuschrecken und Asiatischer Marienkäfer. 

Unkraut-Explosion durch wärmeres Klima
Trockenheit und Dürre verschlechtern seit Jahren zusehends die botanische Futterzusammensetzung von Wiesen. Mit dem wärmeren Klima nehmen unübersehbar und immer mehr wärmeliebende, unproduktive krautige Pflanzenarten mit tieferer Durchwurzelung überhand. Sie führen zu immer mehr zu nutzlos gedüngtem und geerntetem Futter, da sie im Übermaß wegen ihrer fresshemmenden Inhaltsstoffe vom Vieh verweigert werden. Dazu gehören Schafgarbe, Wiesenlabkraut, Wiesenpippau, Flockenblume, Spitzwegerich, Hahnenfußarten, Scharbockskraut, Bunte Kronenwicke, Vogelwicke, Hauechel, Zypressen-Wolfsmilch, Klappertopf und alle Arten von Kreuzkraut. Werden sie als Notfutter dennoch gefressen - was bei Futtermangel durch Dürre der Fall ist - so verursachen sie Ertragsverluste, Leistungseinbußen beim Vieh oder sogar Vergiftungen bis hin zum Tiertod. Die wenigen guten Futterarten die vom wärmeren Klima profitieren sind Raygräser, Glatthafer, Timothe, Wiesenrotklee, Hornklee und Luzerne. 

Extensivierung als Problemverstärker
Die enorme Zunahme von Schadinsekten, Unkräutern und Giftpflanzen erklärt sich durch das Zusammenwirken zweier sich selbst verstärkender Faktoren: a) Der klimabedingte Temperaturanstieg begünstigt Schadinsekten und Unkräuter und b) die Folgen der Förderung der Biodiversität durch Extensivierung und Düngeverzicht. Höhere Biodiversität bedeutet für Futterwiesen bewusste Ertrags- und Qualitätverschlechterung durch neuerliche Verbreitung von bereits verschwunden geglaubten Unkräutern, Giftpflanzen und die Zunahme von Schädlingen. 
Verzicht oder Reduktion der sachgerechten Düngung führt zur Aushungerung und Rückgang der nährstoffbedürftigen, guten Futterwiesengräser. Wo vormals Fettwiesengräser wuchsen, verhungern diese allmählich und sterben ab. Lückenbildung und Verunkrautung ist die Folge dieses Produktionsrückschrittes. Je massiver und schockartiger die Nährstoffreduktion durch die Grünlandextensivierung erfolgt, umso massiver entstehen problematische Lücken in der Grasnarbe durch den Ausfall düngebedürftiger, guter Futtergräser. Dürren verstärken durch das Absterben der geschwächten Gräser die Lückenbildung und begünstigen damit die Ausbreitung von Engerlingen und wärmeliebenden Unkräuter. Die Förderung dichter Grasnarben durch wiederholte Nachsaaten ist die wirksamste Strategie gegen schädliche Eindringlinge und Unkrautausbreitung auf Futterwiesen. Dichte Narben sind gleichzeitig der beste Bodenschutz, Erosionsschutz und Grundwasserschutz.
Es ist viel zu wenig bekannt, dass Grünland in Österreich ohnedies eine ungewöhnlich hohe Artenvielfalt (Biodiversität) im Mittel von 28 bis 55 Pflanzenarten, vereinzelt sogar bis 115 Arten aufweist (Pötsch et al, 2003). Grünlandwirten mit Tierhaltung als Einkommensquelle sollte bewusst sein, dass jede noch höhere Biodiversität für Viehfutterwiesen nachteilig ist, weil der Ertrag der besten Futterpflanzen mit jeder weiteren Art immer mehr verdünnt wird und die Futterqualität vermindert. Zusätzlich verursachen Insekten als Schädlinge in Wiesen wärmerer Lagen jährliche Ertragsverluste bis zu zwei Tonnen Trockenmasse je ha (Clements et al, 1990), was einem Verlust um 400 €/ha entspricht. 
Diese Zusammenhänge zeigen, dass Futterwiesen besonders in trockenen Lagen in Österreich durch die Erderwärmung und infolge immer extremer und längerer werdenden Dürreperioden stark gefährdet sind. Schädlinge, Giftpflanzen, Futtermangel, Futterverteuerung, Einkommensschwächung, Verlust an Fachkompetenz in der Produktion durch massenhafte Extensivierung bis hin zu Marginalisierung am Markt beschleunigen die Entwertung von solchem Grünland. Der Weg in die Extensivierung und der Zwang zum Umstieg in den Nebenerwerb verstärken den fachlichen Kompetenzverlust im Grünland. Lebensmittelindustrie, Futterhändler, Hobbytierhalter und erfolgreiche Viehhaltung können nur hochwertiges, einwandfreies Wiesenfutter, frei von Giftpflanzen und Verschmutzung brauchen. Dazu ist nur mit hohem Niveau von Qualitätsbewusstsein samt Wirtschaftlichkeit mittels hoher fachliche Kompetenz in der Futterproduktion möglich.
Die extensive Grünlandnutzung ist nicht generell abzulehnen, aber nur sinnvoll auf natürlichen Extensivstandorten. Dazu zählen zumeist ertragsarme, magere, nährstoffarme, schwierig bewirtschaftbare, sehr feuchte oder sehr trockene, biodiversitätsreiche und schon Jahrzehnte kaum oder ungedüngte Flächen. Das sind die natürlichen Standortbedingungen, wo naturbedingt eine biodiverse Artenvielfalt auftreten kann. Unsinnig ist es aber den fruchtbaren Fettwiesen eine künstliche Artenvielfalt aufzuzwingen, denn sie neigen bei Extensivierung infolge von Sukzessionsprozessen zur Entartung mit nicht wertvollen Massenarten. Seltene Extensivwiesenpflanzen wachsen nie auf Fettwiesen, sondern brauchen magere, nährstoffarme, ertragsarme Habitate. Dass die Natur weltweit dort am fruchtbarsten ist, wenn Reinkulturen mit nur einer Art in Fruchtfolgen gebaut werden, relativiert die Nützlichkeit einer unbeherrschbaren und beliebigen Biodiversität für die produktive Landwirtschaft.

Bekämpfung der Engerlinge 
Die Engerlingsbekämpfung ist aufwändig und schwierig, zeitraubend und teuer. Bei einem Engerlingsbefall ist der einfachste Weg eine mehrfache, stark mechanische Bodenbearbeitung mit einer Kreiselegge, eventuell auch einer Bodenfräse. Dazu ist eine warme Sommerwitterung notwendig, weil diese Technik die Engerlinge nur bodenoberflächennah erreicht. Die Bekämpfung mit Pilzgerste ist möglich, aber langwierig, zusätzlich auch noch sehr teuer (um 500 €/ha) und wirkt nur gegen Maikäfer-Engerlinge. Die beste Vorbeugung gegen die Engerlingsausbreitung ist der schnelle Aufbau einer dichten Wiesennarbe mit gutem Futterwuchs. Dazu sind spezielle Bodenvorbearbeitungen, Saattechniken, Saatgutmischungen und eine nachhaltige Düngung notwendig. Um die Ausbreitungsmöglichkeiten für Engerlinge zu minimieren, ist sofort nach der nächsten Mahd mit dem Wiesenaufbau durch eine gezielte Einsaat vorzugehen. Gute Futtererträge mit standortangepassten, gut wüchsigen Gräser- und Kleearten sind die Basis für den Erfolg. Am erfolgversprechendsten sind Einsaaten in lückige Wiesen im Spätsommer. Ein Bestand aus besten und ertragreichen Gräsern muss für den immer qualitativ wichtiger werdenden und entscheidenden ersten Frühjahresaufwuchs die höchste Priorität haben. Es zeichnet sich durch Dürreperioden immer mehr die Tendenz ab, dass die Folgeaufwüchse und mit ihren schlechteren Futterstrukturen und Nährstoffgehalten immer mehr an Bedeutung verlieren werden. Die Konzentration aller Bemühungen muss daher im erfolgreichen ersten Frühjahresaufwuchs liegen. Die Nährstoffe bei minderwertigen Sommer- und Herbstaufwüchse sollten daher als Düngemulch für den ersten Aufwuchs genutzt werden. 

Wiesenreparatur mit Standort angepassten Mischungen
Im Handel erhältliche (fertige) Nachsaatmischungen sind bequem, passen aber nur, wenn sie für den Standort passende Arten enthalten. Nach jahrelangen eigenen Beobachtungen enthalten fertige Nachsaatmischungen viel zu viele Arten mit nur geringer Konkurrenzkraft für die Wiesenregeneration. Ein Teil des Saatgutes entspricht damit nicht den Anforderungen häufig komplexer Standorte und wird damit umsonst gekauft und gesät. Es fehlen eindeutige Ergebnisse, die belegen dass konkurrenzschwache Gräser von Nachsaatmischungen anwachsen. Es gibt auch keine generelle Überprüfung aller Nachsaatmischungen, ob sie die Erwartungen in der Praxis wirklich erfüllen, dass alle gesäten Arten in bestehender Wiesennarbe wirklich aufkommen und vor allem ökonomisch ertragsverbessernd sind. Die Zumischung von exakt zu der Wiese passenden Arten verbessert die Chance auf eine erfolgreiche Wiesenregeneration. Am besten sind jene individuellen Einsaatmischungen, die eine standörtlich gezielte Auswahl lokal gut wüchsiger Gräser- und Kleearten enthalten. Jede Wiese braucht für beste Erträge von Natur aus daher ihre eigene spezifische Gräsermischung. Für erfolgreiche Einsaaten sind anfänglich meist mehrere Wiederholungen notwendig, weil nicht immer die besten Aufgangsbedingungen in einer Wiesennarbe herrschen. Zur Nutzung dieser Voraussetzungen und des Erfolges ist das Erkennen der wichtigen lokalen und guten Futtergräser erforderlich. Auch Zeigerpflanzen in der Wiese geben für die Saatgutwahl wichtige Hinweise auf Mangel oder Überschuß bei Nährstoffen, der Bodenfeuchte und über eine narbenschädigende Bewirtschaftung. Besonders wichtig ist das rechtzeitige Erkennen und Eindämmen von Giftpflanzen, damit gesundheitliche Schäden abgewehrt werden und das Vieh keine Leistungseinbußen erleidet.

Fazit
Der Beitrag informiert über Gefahren durch Engerlinge und Giftpflanzen, die nach längeren Dürrepeerioden auf schütteren, zumeist extensiven Wiesen entstehen. Es werden Wege aufgezeigt, wie Wiesen mit Engerlingsbefall zu sanieren sind und nach welchen Prinzipien die Auswahl standortgerechter Futtergräser für die Wiesenregeneration erfolgen soll. Für das Erkennen und die standörtlich optimal passende Auswahl an Futtergräsern zur Wiesenregeneration können Sie sich an den Autor unter johann.humer@gmail.com wenden.

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