Samstag, 22. September 2018


Letzten Wiesenaufwuchs als Naturdünger nutzen

Autor: DI. Johann HUMER, 20.9.2018
Für den qualitätsentscheidenden ersten Wiesenaufwuchs im Frühjahr sind im Herbst gezielte Pflegemaßnahmen notwendig. Das Ende der Vegetationsperiode kann und soll für einen guten Start im Frühjahr genutzt werden. Die hohe Leistungsfähigkeit einer Grünlandnarbe im Folgejahr hängt von der guten Herbstvorbereitung des letzten Aufwuchses ab. Dazu zählt die Reparatur von Narbenschäden, der Aufbau einer möglichst unkrautarmen und dichten Grasnarbe mit hochwertigen Futtergräsern, eine optimale Nährstoffversorgung und das Kurzhalten der Narbe vor dem Winter. Lesen Sie hier die Tipps zu optimalen Pflegemaßnahmen vom Futterwiesenexperten Dipl.-Ing. Johann HUMER.

Wiesenreparatur engerlingsgeschädigter Grasnarben
Diesen Sommer sind oft lückige bis großflächig zerfressene Grasnarben von Futterwiesen mit Schäden durch Engerlingsfraß zu beobachten. Massive, flächenhafte Ausbrüche sind in mehreren Regionen Österreichs aufgetreten. Als Ursachen hierfür sind zu nennen:  Mehrere Hitzejahre in Folge mit Trockenschäden und Schwächung der Erträge durch Ausdünnung der Pflanzendecke infolge Förderung extensiver Bewirtschaftung mit Verzicht auf sachgerechte Düngung und Unkrautbekämpfung. Lichte, ausgedüngte Futterdecken durch Vernachlässigung eines gut bodenbedeckenden Futterwuchses mit Düngung und ertragreichen Futtergräsern heizen sonnenexponierte Böden besonders auf. Die extensive, ertragsschwache Grünlandwirtschaft bildet ideale Brutkästen für Engerlinge. Für die oft in trockenen, mageren Lagen dürftigen dahinvegetierenden Wiesen ist der Aufbau einer dichten, gut bodenbedeckenden Grasnarbe der Schlüsselpunkt zur Schadensabwehr von Engerlingen, den Larven der verschiedenen Maikäferarten. Denn die Maikäfer legen ihre Brut mit Vorliebe in lichte, wenig dicht bewachsene Futterbestände mit aufgeheizten Böden ab. Solche Backöfen bieten eine besonders ideale und massenhafte Brutentwicklung; insbesonders, wenn die Sonnenhitze bis auf den nackten Boden einstrahlt - mangels einer dichten Vegetationsdecke.
Extensivierung schadet produktiv wirtschaftenden Bauern
Vor dem Hintergrund der akuten Probleme ist abzuwägen, wie weit der im Umweltprogramm geförderte Verzicht und die Vernachlässigung von Düngung und Pflanzenschutz sinnvoll und nützlich ist. Die propagierte Biodiversität führt inzwischen zu einer explosiven Zunahme unerwünschter Flora und Fauna (Giftpflanzen, Unkräuter, Wölfen, Bären, Engerlingen) und wird immer mehr zu einem Bumerang und Bedrohung für produktiv wirtschaftende Bauern. Gut gedüngte, üppige, dichte Futterbestände sind für Engerlinge keine Anziehungspunkte.
Auf Standorten mit starker Sonneneinstrahlung und Bodenaufheizung werden wegen der immer häufigeren Dürrezeiten zur Einsaat trockenheitsverträgliche (klimaresiliente) Futterwiesenpflanzen mit tieferen Wurzelgang immer wichtiger. In Frage kommen dafür: KNAULGRAS, GLATTHAFER, ENGLISCHES RAYGRAS, ROTSCHWINGEL, ROHRSCHWINGEL, FESTULOLIUM, HORNKLEE und ROTKLEE. Weil der Saatguthandel bei Wiesensaatgut bereits nahezu ausverkauft ist, verbleiben nur mehr „Notmischungen“, die aus KNAULGRAS, ENGLISCHEM RAYGRAS und ROTSCHWINGEL bestehen können. Nur mit schnell wüchsigem und spätsaatverträglichem RAYGRAS können auch noch im Spätherbst Narbenlücken gegen die Unkrautausbreitung begrünt werden. Die anderen Arten müssen dann notgedrungen im Folgejahr nachgesät werden, um einen artenreicheren Bestand zu etablieren. Ohne regenerative Wieseneinsaat verwildern geschwächte Futterwiesen noch mehr, was eine weitere Ertrags- und Futterwertminderung zur Folge hat.

Kurzhalten verbessert das Überwintern
Das Kurzhalten der Wiesenaufwüchse im Spätherbst ist eine wichtige Maßnahme um im Frühjahr einen gesunden Pflanzenbestand zu ernten. Auch Auswinterungsschäden werden damit vorgebeugt. Futterwiesen sollen nicht zu üppig und hochwüchsig in den Winter gehen. Vor allem lagernde Matten befällt der Schneeschimmel bevorzugt. Diese Flächen wintern leicht aus. Hohe Restfuttermassen bilden auch für Mäuse eine gute Deckung und ideale Überwinterungs- und Vermehrungsbedingungen. Die Narbe stirbt auf den befallenen Flächen ab und Unkräuter besiedeln diese Stellen. Auch eine Eindämmung und Begrünung von Narbenschäden durch Wildtiere muss erfolgen. Bei der LUZERNE gelten besondere Regeln. Hier ist zu beachten, dass die letzte Nutzung nicht zu tief erfolgt. Die Schnitthöhe von zehn Zentimeter darf bei Luzerne nicht unterschritten werden, da ansonsten die bodennahen Erneuerungsknospen an der Stängelbasis vernichtet werden. Ohne Erneuerungsknospen bildet die Luzerne keinen Nachtrieb und stirbt ab.

Schadnager fangen, Pflanzenbestand verbessern
Die Reparatur und Wiederbegrünung von Narbenschäden durch Schwarzwild und andere Wildtiere müssen ehestens im Herbst erfolgen. Der zunehmende Temperaturanstieg gepaart mit der vieljährigen Dauerwiesen-Wirtschaft ohne Umbruch und mangelnder Fruchtfolge seit den 1960er-Jahren, bietet narbenzerstörenden und wurzelfressenden Insekten in Wiesen ein paradiesisches Ausbreitungspotential. Die Masse an Engerlingen und Insektenlarven lockt zusätzliche weitere, nachfolgende Zerstörer von Grasnarben an, wie Schwarzwild, Dachs, Krähen, Wühlmäuse und Maulwurf.  Diese Schäden gilt es abzuwenden und zu reparieren. Bewährt hat sich zur Bekämpfung von Nagern das Aufstellen von Sitzstangen für Greifvögel, ebenso und das konsequente Fangen der Nager mit Fallen sowie die Beobachtung von Neueinwanderungen. Gegen die Eiablage der Engerlinge auf Wiesengrund sind gut gedüngte, ertragreiche und damit dichte Futterbestände das einfachste Mittel. Engerlingsschäden saniert man am besten durch mehrmaliges Kreiseleggen bei warmer Witterung und einer Wiesenneuansaat. Bei extremem Engerlingsbefall kann nur mehr der sehr langwierige, teure (ca 500 €/ha) und mehrfache Einsatz von Pilzgerste helfen.

Trittschäden und Fahrspuren vermeiden
Schäden an der Wiesenarbe entstehen bei nassen Bodenverhältnissen durch Bodenbelastungen durch Herbstweide oder schwieriger Erntewitterung. Die Herbstnutzung ist daher an den Niederschlagsverlauf und die Bodenfeuchte anzupassen. Die Beweidung soll nie bei nassen Bodenbedingungen erfolgen, damit durch Trittschäden keine Narbenzerstörung erfolgt. Trittschäden, Fahrspuren und häufiges Befahren verstopfen Grobporen im Boden und verursachen stauende Nässe. Das begünstigt die Ausbreitung schwer bekämpfbarer Ungräser, speziell der gefürchteten Gemeinen Rispe und Weichen Trespe. Ein verpflichtender Zwang zur Weide ist völlig kontraproduktiv. Bei nasser Witterung, in steilen Lagen, Sumpfinseln und offenen Bodenstellen führt Weide leicht unbestreitbar zur Narbenzerstörung und erhöht zudem unnötig den Parasitenbefall.

Herbstdüngung braucht Spitzenfingergefühl
Die moderate Düngung mit Wirtschaftsdüngern im Herbst, räumt die Düngerlager und sichert die Speicherung der Nährstoffe in Wurzeln und Boden. Das führt zu einem früheren und besseren Wiederaustrieb im Frühjahr. Kalium schützt den Pflanzenbestand vor Auswinterung und erhöht die Widerstandskraft gegen Pilzkrankheiten. Um tiefe Fahrspuren und die Ausbreitung von Gemeiner Rispe zu vermeiden, darf nur bei Trockenheit und guter Befahrbarkeit der Flächen – unter Bedachtnahme der erlaubten Ausbringungsmengen und Zeiträume -  gedüngt werden. Auch eine zu frühe Herbstdüngung soll wegen zu üppigem Futternachwuchs nicht erfolgen. Angemessene Ausbringungsmengen sind für Gülle 15 m³/ha, bei Stallmist 20 t/ha und bei reifem Kompost oder Rottemist 10 bis 15 t/ha. Beweidetes Grünland braucht keine explizite Herbstdüngung, ist aber durch Mahd der überständigen Futterreste gepflegt und sauber zu halten, damit sich ungefressene, verschmähte minderwertige Weidepflanzen oder Giftpflanzen nicht ausbreiten.

Was tun, mit dem letzten Aufwuchs?
Beim letzten Aufwuchs stellt sich die Frage einer geeigneten Nutzung. Für Klein- und Mittelbetriebe ist die Herbstweide ein arbeitswirtschaftlich kostengünstiges Verfahren. Besonders bei Futternot ist es von Vorteil Wiesen bis zum letzten Grasbüschel nutzen zu können. Für qualitätsorientierte Futterbaubetriebe ist aber das letzte Mähfutter im Jahr von zweifelhaftem Wert. Dieses Futter hat zwar höhere Eiweißgehalte, aber wenig wertvolle Struktur, eine geringe Silierfähigkeit, niedrige Energiegehalte und meist auch höhere Erdanteile. Die mitunter anhaftenden Erdpatzen bei mitgeernteten Wurzelresten von Gemeiner Rispe führen zur Keimbelastung des Futters durch Bodenkeime wie Listerien und Clostridien. Derart verschmutzes Futter erhöht den Stress von Milchvieh und führt zu Mastitisausbrüchen und Leistungsabfall bei Milch. Mitunter wird solch verschmutzes Wiesenfutter gar nicht mehr gefressen und kann bei hoher Keimbelastung bei empfindlichen Tieren zum Tod durch Keimtoxine führen. Auch bei Futter überschwemmter Wiesen besteht dieses Risiko.
Die Verwertung des letzten Aufwuchses als gemulchter Naturdünger stärkt den ersten und wichtigsten Wiesenaufwuchs. Diese vielfache Erkenntnis sollte viel mehr genutzt werden. Ein zu üppiger letzter Aufwuchs muss geschnitten werden. Das kann durch Mulchen, Schlägeln oder Mahd erfolgen. Dicke Schwaden sind durch Zetten zu verteilen, damit die Narbe nicht durch Lichtmangel und Grünmassezersetzungsprodukte abstirbt. Das Rezyklieren der Nährstoffe vom letzten Aufwuchses kommt dem folgenden ersten Aufwuchs aussergewöhnlich deutlich sichtbar durch einen weitaus früheren und höheren Ertrag zugute.

Kalk und Phosphor Düngung im Herbst
Kalk und Phosphor sind unverzichtbare, langsam wirkende Pflanzennährstoffe. Ein Mindestversorgungsgrad ist für ertragreiche Wirtschaftswiesen erforderlich. Beim pH-Wert des Bodens sollten je nach Bodenschwere die Werte über dem pH-Bereich von 5 bis 6 liegen. Mit ein bis zwei Tonnen kohlensaurer Kalk ist der Mindestbedarf vieler Wiesen für einige Jahre gedeckt. Kalk fördert auch die wichtige Bildung von Bodenkrümeln sowie den Aufbau von Bodenhohlräumen zur Sauerstoffversorgung der Wurzeln, ebenso die beschleunigte Versickerung von Regengüssen. Ein Großteil der Wiesen hat eine Phosphor-Unterversorgung. Der Phosphorbedarf richtet sich vor allem nach dem Ertrag, der Nutzungsintensität und der rückzuführenden Wirtschaftsdüngermenge. Düngepläne wie der lk-Düngerrechner ermitteln rasch die Bedarfswerte. Offizielle  Bodenanalysen (um 20 € / Probe) zeigen die exakten Bedarfswerte für NPK und Kalk. Kalk und langsam wirkende Phosphatdünger sollen aufgrund geringerer Arbeitsspitzen im Spätherbst, bei guter Befahrbarkeit der Böden, ausgebracht werden.

Conclusio
Für den Erhalt des hohen Kultur- und Wirtschaftswertes der Futterwiesen sind im Spätherbst Pflegemaßnahmen notwendig. Für hochwertiges Wiesenfutter sind vor allem wertvolle Futterpflanzen eine Voraussetzung. Viele Unkräuter und Giftpflanzen lassen sich im Herbst gut eindämmen. Der Aufbau dichter Grasnarben in Unkrautlücken mit hochwertigen Futtergräsern durch Einsaaten erfordert einen ständigen Einsaatprozess, da immer wiederum Lücken durch Auswinterung, Wildschäden, Unkräuter, Trittschäden und Fahrspuren entstehen. Für die Überwinterung der wertvollen Futtergräser bedarf es das Kurzhalten der Narbe vor dem Winter. Das stärkt die Grasnarbe und hemmt die Auswinterung durch Schneeschimmel und auch den Unterschlupf von Wühlmäusen. Die Herbstweide hat bei kleinen und extensiv geführten Betrieben und bei Futternot ihre Vorteile. Zukunftsorientierte Betriebe mit Vielschnittwiesen legen ein hohes Augenmerk auf den ersten Aufwuchs, um hochwertigeres Futter frühzeitig zu ernten. Nicht eine biodiverse Vielfalt an Unkräutern und Giftpflanzen, sondern hochwertige Grünlandfutterpflanzen sind in Futterwiesen die Überlebensvoraussetzungen der regionalen Nutztierhaltung samt Vermeidung der Landflucht. Förderprogramme sollten vielmehr die Ertragskraft der Wiesen  stärken und nicht dezimieren, um eine florierende Viehwirtschaft und die Besiedelung des ländlichen Raumes zu sichern. Das ist die beste Versicherung gegen Abwanderung  und Landflucht. Die jährlich zunehmende Gängelung der Bauern durch Abhängigkeit von Administration und Almosen durch Förderungen schwächt die bäuerlichen Betriebe. Das begünstigt Aufstieg und Wachstum fremder kapitalstarker Agrar- und Hobbyunternehmen ohne bäuerlicher Tradition.
Die vielfach vorbildliche österreichische Futter- und Resourcennutzung im Grünland trägt dazu bei, weltweit das Renommee dieser Regionen und die Marktposition unserer Veredelung von Grünland wirtschaftlich zu sichern. Die dynamische und ökologische Vielfalt österreichischer Futterwiesen ist ein wertzuschätzender Verdienst innovativer bäuerlicher Tätigkeit durch Veredelungskultur und weniger von starren künstlichen unflexiblen Naturschutzprogrammen.

Rückfragen und Kontakt zum Autor: Tel. 0664/8244458, E-Mail: johann.humer@gmail.com


 Eigene Bilder zu diesem Beitrag unter https://photos.app.goo.gl/tqJ8xkzZHY2DskvM7 
ausser den letzten 3 Bildern (Engerlingsgeschädigter Steilhang SO-Schweiz 2018, Zeichnung RICHTER 2010)



  

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