Letzten Wiesenaufwuchs als
Naturdünger nutzen
Autor: DI. Johann HUMER, 20.9.2018
Für den qualitätsentscheidenden ersten Wiesenaufwuchs im Frühjahr sind im
Herbst gezielte Pflegemaßnahmen notwendig. Das Ende der Vegetationsperiode kann
und soll für einen guten Start im Frühjahr genutzt werden. Die hohe Leistungsfähigkeit
einer Grünlandnarbe im Folgejahr hängt von der guten Herbstvorbereitung des
letzten Aufwuchses ab. Dazu zählt die Reparatur von Narbenschäden, der Aufbau einer
möglichst unkrautarmen und dichten Grasnarbe mit hochwertigen Futtergräsern, eine
optimale Nährstoffversorgung und das Kurzhalten der Narbe vor dem Winter. Lesen
Sie hier die Tipps zu optimalen Pflegemaßnahmen vom Futterwiesenexperten Dipl.-Ing.
Johann HUMER.
Wiesenreparatur engerlingsgeschädigter
Grasnarben
Diesen Sommer sind oft lückige bis großflächig zerfressene Grasnarben von
Futterwiesen mit Schäden durch Engerlingsfraß zu beobachten. Massive,
flächenhafte Ausbrüche sind in mehreren Regionen Österreichs aufgetreten. Als
Ursachen hierfür sind zu nennen: Mehrere
Hitzejahre in Folge mit Trockenschäden und Schwächung der Erträge durch
Ausdünnung der Pflanzendecke infolge Förderung extensiver Bewirtschaftung mit
Verzicht auf sachgerechte Düngung und Unkrautbekämpfung. Lichte, ausgedüngte Futterdecken
durch Vernachlässigung eines gut bodenbedeckenden Futterwuchses mit Düngung und
ertragreichen Futtergräsern heizen sonnenexponierte Böden besonders auf. Die extensive,
ertragsschwache Grünlandwirtschaft bildet ideale Brutkästen für Engerlinge. Für
die oft in trockenen, mageren Lagen dürftigen dahinvegetierenden Wiesen ist der
Aufbau einer dichten, gut bodenbedeckenden Grasnarbe der Schlüsselpunkt zur
Schadensabwehr von Engerlingen, den Larven der verschiedenen Maikäferarten.
Denn die Maikäfer legen ihre Brut mit Vorliebe in lichte, wenig dicht
bewachsene Futterbestände mit aufgeheizten Böden ab. Solche Backöfen bieten eine
besonders ideale und massenhafte Brutentwicklung; insbesonders, wenn die Sonnenhitze
bis auf den nackten Boden einstrahlt - mangels einer dichten Vegetationsdecke.
Extensivierung schadet produktiv
wirtschaftenden Bauern
Vor dem Hintergrund der akuten Probleme ist abzuwägen, wie weit der im
Umweltprogramm geförderte Verzicht und die Vernachlässigung von Düngung und
Pflanzenschutz sinnvoll und nützlich ist. Die propagierte Biodiversität führt
inzwischen zu einer explosiven Zunahme unerwünschter Flora und Fauna
(Giftpflanzen, Unkräuter, Wölfen, Bären, Engerlingen) und wird immer mehr zu
einem Bumerang und Bedrohung für produktiv wirtschaftende Bauern. Gut gedüngte,
üppige, dichte Futterbestände sind für Engerlinge keine Anziehungspunkte.
Auf Standorten mit starker Sonneneinstrahlung und Bodenaufheizung werden
wegen der immer häufigeren Dürrezeiten zur Einsaat trockenheitsverträgliche (klimaresiliente)
Futterwiesenpflanzen mit tieferen Wurzelgang immer wichtiger. In Frage kommen
dafür: KNAULGRAS, GLATTHAFER, ENGLISCHES RAYGRAS, ROTSCHWINGEL, ROHRSCHWINGEL,
FESTULOLIUM, HORNKLEE und ROTKLEE. Weil der Saatguthandel bei Wiesensaatgut bereits
nahezu ausverkauft ist, verbleiben nur mehr „Notmischungen“, die aus KNAULGRAS,
ENGLISCHEM RAYGRAS und ROTSCHWINGEL bestehen können. Nur mit schnell wüchsigem
und spätsaatverträglichem RAYGRAS können auch noch im Spätherbst Narbenlücken
gegen die Unkrautausbreitung begrünt werden. Die anderen Arten müssen dann
notgedrungen im Folgejahr nachgesät werden, um einen artenreicheren Bestand zu
etablieren. Ohne regenerative Wieseneinsaat verwildern geschwächte Futterwiesen
noch mehr, was eine weitere Ertrags- und Futterwertminderung zur Folge hat.
Kurzhalten verbessert das Überwintern
Das Kurzhalten der Wiesenaufwüchse im Spätherbst ist eine wichtige
Maßnahme um im Frühjahr einen gesunden Pflanzenbestand zu ernten. Auch
Auswinterungsschäden werden damit vorgebeugt. Futterwiesen sollen nicht zu
üppig und hochwüchsig in den Winter gehen. Vor allem lagernde Matten befällt
der Schneeschimmel bevorzugt. Diese Flächen wintern leicht aus. Hohe
Restfuttermassen bilden auch für Mäuse eine gute Deckung und ideale
Überwinterungs- und Vermehrungsbedingungen. Die Narbe stirbt auf den befallenen
Flächen ab und Unkräuter besiedeln diese Stellen. Auch eine Eindämmung und
Begrünung von Narbenschäden durch Wildtiere muss erfolgen. Bei der LUZERNE gelten
besondere Regeln. Hier ist zu beachten, dass die letzte Nutzung nicht zu tief erfolgt.
Die Schnitthöhe von zehn Zentimeter darf bei Luzerne nicht unterschritten
werden, da ansonsten die bodennahen Erneuerungsknospen an der Stängelbasis
vernichtet werden. Ohne Erneuerungsknospen bildet die Luzerne keinen Nachtrieb und
stirbt ab.
Schadnager fangen, Pflanzenbestand
verbessern
Die Reparatur und Wiederbegrünung von Narbenschäden durch Schwarzwild
und andere Wildtiere müssen ehestens im Herbst erfolgen. Der zunehmende Temperaturanstieg
gepaart mit der vieljährigen Dauerwiesen-Wirtschaft ohne Umbruch und mangelnder
Fruchtfolge seit den 1960er-Jahren, bietet narbenzerstörenden und wurzelfressenden
Insekten in Wiesen ein paradiesisches Ausbreitungspotential. Die Masse an
Engerlingen und Insektenlarven lockt zusätzliche weitere, nachfolgende Zerstörer
von Grasnarben an, wie Schwarzwild, Dachs, Krähen, Wühlmäuse und Maulwurf. Diese Schäden gilt es abzuwenden und zu
reparieren. Bewährt hat sich zur Bekämpfung von Nagern das Aufstellen von
Sitzstangen für Greifvögel, ebenso und das konsequente Fangen der Nager mit
Fallen sowie die Beobachtung von Neueinwanderungen. Gegen die Eiablage der
Engerlinge auf Wiesengrund sind gut gedüngte, ertragreiche und damit dichte Futterbestände
das einfachste Mittel. Engerlingsschäden saniert man am besten durch
mehrmaliges Kreiseleggen bei warmer Witterung und einer Wiesenneuansaat. Bei extremem
Engerlingsbefall kann nur mehr der sehr langwierige, teure (ca 500 €/ha) und
mehrfache Einsatz von Pilzgerste helfen.
Trittschäden und Fahrspuren
vermeiden
Schäden an der Wiesenarbe entstehen bei nassen Bodenverhältnissen durch Bodenbelastungen
durch Herbstweide oder schwieriger Erntewitterung. Die Herbstnutzung ist daher an
den Niederschlagsverlauf und die Bodenfeuchte anzupassen. Die Beweidung soll nie
bei nassen Bodenbedingungen erfolgen, damit durch Trittschäden keine
Narbenzerstörung erfolgt. Trittschäden, Fahrspuren und häufiges Befahren verstopfen
Grobporen im Boden und verursachen stauende Nässe. Das begünstigt die Ausbreitung
schwer bekämpfbarer Ungräser, speziell der gefürchteten Gemeinen Rispe und
Weichen Trespe. Ein verpflichtender Zwang zur Weide ist völlig kontraproduktiv.
Bei nasser Witterung, in steilen Lagen, Sumpfinseln und offenen Bodenstellen
führt Weide leicht unbestreitbar zur Narbenzerstörung und erhöht zudem unnötig
den Parasitenbefall.
Herbstdüngung braucht Spitzenfingergefühl
Die moderate Düngung mit Wirtschaftsdüngern im Herbst, räumt die Düngerlager
und sichert die Speicherung der Nährstoffe in Wurzeln und Boden. Das führt zu
einem früheren und besseren Wiederaustrieb im Frühjahr. Kalium schützt den
Pflanzenbestand vor Auswinterung und erhöht die Widerstandskraft gegen
Pilzkrankheiten. Um tiefe Fahrspuren und die Ausbreitung von Gemeiner Rispe zu
vermeiden, darf nur bei Trockenheit und guter Befahrbarkeit der Flächen – unter
Bedachtnahme der erlaubten Ausbringungsmengen und Zeiträume - gedüngt werden. Auch eine zu frühe Herbstdüngung
soll wegen zu üppigem Futternachwuchs nicht erfolgen. Angemessene Ausbringungsmengen
sind für Gülle 15 m³/ha, bei Stallmist 20 t/ha und bei reifem Kompost oder
Rottemist 10 bis 15 t/ha. Beweidetes Grünland braucht keine explizite Herbstdüngung,
ist aber durch Mahd der überständigen Futterreste gepflegt und sauber zu halten,
damit sich ungefressene, verschmähte minderwertige Weidepflanzen oder
Giftpflanzen nicht ausbreiten.
Was tun, mit dem letzten Aufwuchs?
Beim letzten Aufwuchs stellt sich die Frage einer geeigneten Nutzung. Für
Klein- und Mittelbetriebe ist die Herbstweide ein arbeitswirtschaftlich
kostengünstiges Verfahren. Besonders bei Futternot ist es von Vorteil Wiesen
bis zum letzten Grasbüschel nutzen zu können. Für qualitätsorientierte Futterbaubetriebe
ist aber das letzte Mähfutter im Jahr von zweifelhaftem Wert. Dieses Futter hat
zwar höhere Eiweißgehalte, aber wenig wertvolle Struktur, eine geringe
Silierfähigkeit, niedrige Energiegehalte und meist auch höhere Erdanteile. Die mitunter
anhaftenden Erdpatzen bei mitgeernteten Wurzelresten von Gemeiner Rispe führen
zur Keimbelastung des Futters durch Bodenkeime wie Listerien und Clostridien. Derart
verschmutzes Futter erhöht den Stress von Milchvieh und führt zu Mastitisausbrüchen
und Leistungsabfall bei Milch. Mitunter wird solch verschmutzes Wiesenfutter gar
nicht mehr gefressen und kann bei hoher Keimbelastung bei empfindlichen Tieren
zum Tod durch Keimtoxine führen. Auch bei Futter überschwemmter Wiesen besteht dieses
Risiko.
Die Verwertung des letzten Aufwuchses als gemulchter Naturdünger stärkt den
ersten und wichtigsten Wiesenaufwuchs. Diese vielfache Erkenntnis sollte viel
mehr genutzt werden. Ein zu üppiger letzter Aufwuchs muss geschnitten werden. Das
kann durch Mulchen, Schlägeln oder Mahd erfolgen. Dicke Schwaden sind durch Zetten
zu verteilen, damit die Narbe nicht durch Lichtmangel und Grünmassezersetzungsprodukte
abstirbt. Das Rezyklieren der Nährstoffe vom letzten Aufwuchses kommt dem folgenden
ersten Aufwuchs aussergewöhnlich deutlich sichtbar durch einen weitaus früheren
und höheren Ertrag zugute.
Kalk und Phosphor Düngung im
Herbst
Kalk und Phosphor sind unverzichtbare, langsam wirkende Pflanzennährstoffe.
Ein Mindestversorgungsgrad ist für ertragreiche Wirtschaftswiesen erforderlich.
Beim pH-Wert des Bodens sollten je nach Bodenschwere die Werte über dem
pH-Bereich von 5 bis 6 liegen. Mit ein bis zwei Tonnen kohlensaurer Kalk ist
der Mindestbedarf vieler Wiesen für einige Jahre gedeckt. Kalk fördert auch die
wichtige Bildung von Bodenkrümeln sowie den Aufbau von Bodenhohlräumen zur
Sauerstoffversorgung der Wurzeln, ebenso die beschleunigte Versickerung von
Regengüssen. Ein Großteil der Wiesen hat eine Phosphor-Unterversorgung. Der
Phosphorbedarf richtet sich vor allem nach dem Ertrag, der Nutzungsintensität
und der rückzuführenden Wirtschaftsdüngermenge. Düngepläne wie der lk-Düngerrechner
ermitteln rasch die Bedarfswerte. Offizielle Bodenanalysen (um 20 € / Probe) zeigen die exakten
Bedarfswerte für NPK und Kalk. Kalk und langsam wirkende Phosphatdünger sollen aufgrund
geringerer Arbeitsspitzen im Spätherbst, bei guter Befahrbarkeit der Böden,
ausgebracht werden.
Conclusio
Für den Erhalt des hohen Kultur- und Wirtschaftswertes der Futterwiesen sind
im Spätherbst Pflegemaßnahmen notwendig. Für hochwertiges Wiesenfutter sind vor
allem wertvolle Futterpflanzen eine Voraussetzung. Viele Unkräuter und
Giftpflanzen lassen sich im Herbst gut eindämmen. Der Aufbau dichter Grasnarben
in Unkrautlücken mit hochwertigen Futtergräsern durch Einsaaten erfordert einen
ständigen Einsaatprozess, da immer wiederum Lücken durch Auswinterung, Wildschäden,
Unkräuter, Trittschäden und Fahrspuren entstehen. Für die Überwinterung der
wertvollen Futtergräser bedarf es das Kurzhalten der Narbe vor dem Winter. Das
stärkt die Grasnarbe und hemmt die Auswinterung durch Schneeschimmel und auch den
Unterschlupf von Wühlmäusen. Die Herbstweide hat bei kleinen und extensiv
geführten Betrieben und bei Futternot ihre Vorteile. Zukunftsorientierte
Betriebe mit Vielschnittwiesen legen ein hohes Augenmerk auf den ersten
Aufwuchs, um hochwertigeres Futter frühzeitig zu ernten. Nicht eine biodiverse
Vielfalt an Unkräutern und Giftpflanzen, sondern hochwertige Grünlandfutterpflanzen
sind in Futterwiesen die Überlebensvoraussetzungen der regionalen
Nutztierhaltung samt Vermeidung der Landflucht. Förderprogramme sollten vielmehr
die Ertragskraft der Wiesen stärken und
nicht dezimieren, um eine florierende Viehwirtschaft und die Besiedelung des
ländlichen Raumes zu sichern. Das ist die beste Versicherung gegen Abwanderung und Landflucht. Die jährlich zunehmende Gängelung
der Bauern durch Abhängigkeit von Administration und Almosen durch Förderungen schwächt
die bäuerlichen Betriebe. Das begünstigt Aufstieg und Wachstum fremder kapitalstarker
Agrar- und Hobbyunternehmen ohne bäuerlicher Tradition.
Die vielfach vorbildliche österreichische Futter- und Resourcennutzung im
Grünland trägt dazu bei, weltweit das Renommee dieser Regionen und die
Marktposition unserer Veredelung von Grünland wirtschaftlich zu sichern. Die dynamische
und ökologische Vielfalt österreichischer Futterwiesen ist ein wertzuschätzender
Verdienst innovativer bäuerlicher Tätigkeit durch Veredelungskultur und weniger
von starren künstlichen unflexiblen Naturschutzprogrammen.
Rückfragen und Kontakt zum Autor: Tel. 0664/8244458, E-Mail:
johann.humer@gmail.com
ausser den letzten 3 Bildern
(Engerlingsgeschädigter Steilhang SO-Schweiz 2018, Zeichnung RICHTER 2010)
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