Engerlingswiesen im Berggebiet
– Neue Unfallrisiken mit landtechnischer Herausforderung
Mehr Engerlinge als Vieh
In
Oberösterreich berichtet FRÜHWIRTH 2018 von Befallsdichten bis zu 700
Engerlingen auf einem Quadratmeter. Auf einen Hektar entspricht das bis sieben
Millionen (!) Engerlingslarven, die mit 7 Tonnen oder 12 GVE/ha an der Wiesennarbe
fressen. Dabei zerfällt die sonst so reissfeste und erosionsfeste Grasnarbe zu
Staub. Schwer engerlingsgeschädigten Wiesen fehlt jedes Grün und sie gleichen brachem
Ödland. Nahezu ganz Oberösterreich wurde zum Engerlingsbefallsgebiet erklärt. Schwere Schäden gibt es auch in NÖ, Salzburg
und Kärnten, in der Schweiz und in Deutschland.
Zuerst Befall reduzieren,
dann nachsäen
Für
die erfolgreiche Sanierung engerlingszerstörter Wiesen zeigen zahlreiche
Wiesenversuche von HOFFMEISTER. Vor einer Neuanlage einer Futterwiese müssen
die Engerlingszahlen demnach möglichst unter 50 Engerlinge/m2 liegen. Liegen höhere Befallswerte vor, können sich
die Neuansaaten wegen der geschwächten Wurzelneubildung nicht mehr regenerieren.
Folgedessen sind blind durch geführte Wiesenneuanlagen ohne Engerlingszählung bei
hohen Engerlingszahlen nicht zu empfehlen. Der Aufstieg der Engerlinge aus
tieferen Bodenschichten beginnt ab 7 °C und damit der schädliche Wurzelfraß. In
wärmeren Gebieten beginnt der Wurzelfraß schon im März, in kühleren Lagen dagegen
erst Anfang Mai. Der Temperaturanstieg
durch den Klimawandel führt zu einer weiteren Verfrühung der Fraßzeit. Bei
starkem Befall muss bereits im Frühjahr mit der wiederholten mechanischen Bekämpfung
begonnen werden, wenn der Wiesenbestand ohnedies zerstört ist und sich unerntbar
zeigt. Mit lebenden Wurzeln im Boden bleiben sie gefährliche Fresser im
Verborgenen. Auf Flächen ohne Vegetation, erfolgt keine Eiablage in den
Ablagemonaten Mai bis Juni. Werden die Flächen ohne Vegetation offengehalten,
verhungern die Engerlinge mangels Pflanzenwurzeln. Durch Kannibalisierung dezimieren
sie sich auch selbst; die großen fressen die kleineren, zeigen Versuche. Die
mechanische Bekämpfung ist mit Kreiselgeräten weiterzuführen bis die
Schadschwelle deutlich unter 50
Engerlingen/m2 liegt. Gleichzeitig erfolgt dabei auch die wichtige Bekämpfung unerwünschter
Unkräuter, die kein hochwertiges Futter liefern. Erst danach kann die Neuansaat
der Dauerwiese erfolgen.
Wiesenneuanlage mit klimaresilienten
Gräsern
Wegen
zunehmender Dürrezeiten durch den Klimawandel müssen immer mehr klimaresiliente
(trockenheitsverträgliche) Gräser wie zB weichblättriger Rohrschwingel und
Kleearten wie zB Hornklee, zum Einsatz kommen. Mehr dazu unter der PPT: goo.gl/6w63Rb. Zur Vermeidung eines
erneuten Engerlingbefalls ist es entscheidend, den raschen Aufbau dichter, neuer
Futterwiesen mit sachgerechten NPK- und Kalk-Düngemengen unter Einbezug der
Wirtschaftsdünger nach den Vorgaben der sachgerechten Düngung zu forcieren. Bei
der Gelegenheit sollte schon rechtzeitig vorher eine Bodenuntersuchung mit
Düngeplan nach SGD mit exakter Nährstoffbedarfsermittlung für NPK und Kalk erfolgen.
Damit
werden optimale, dichte, üppige Futterbestände geschaffen, wo das Risiko der
Eiablage von Engerlingskäfern und Engerlingsschäden am geringsten ist. Die geförderte Grünlandextensivierung wirkt
dabei doppelt kontraproduktiv, weil sie Engerlingen Vorschub leistet und durch
Auflagen Handlungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit in Produktion und
Pflanzenschutz schwächt.
Unfallgefahr bei Bergwiesen
Sofern
nach Engerlingsschäden überhaupt noch Narbenreste verblieben sind, täuschen die
spärlichen, grünen Pflanzenreste eine intakte Grasnarbe vor. In Hanglagen verlieren
engerlingsgeschädigte Grasnarben ihre Griffigkeit für Maschinen und sind daher
ein unsichtbares, schwer abschätzbares Risiko für Abrutschungen und Traktorunfälle,
insbesonders häufig bei der Gülleausbringung. Den grün verbleibenden Vegetationsresten
fehlt die feste Verankerung mangels abgefressener Wurzeln und sie bilden einen vom
Boden leicht ablösbaren Wasen, der in Hanglagen leicht abrutscht. Landwirte
berichten bereits , dass auf dieser Gleitschicht die Zugmaschinen keinen Halt haben
und leicht zurück- oder abrutschen. Man fährt quasi auf einem leicht
abrutschenden Teppich, der auf Hängen leicht zu einer unberechenbaren und
unvorhersehbaren Gefahr wird. Die Grasnarbe von Engerlingswiesen wird dadurch zu
einer gefährlichen Rutschpartie, weil die Verwurzelung und Griffigkeit durch
wurzelfressende Engerlinge verloren ging. Im Jahr 2018 haben sich die tödlichen
Traktorunfälle bereits verdoppelt, berichtete die Bauernzeitung online am
18.1.2019. Hinzu kommen verunglückte Traktorfahrer,
die lebenslänglich Pflegefälle bleiben.
Engerlinge vermindern die
Bodenhaftung von Maschinen und forcieren die Futterverschmutzung
Selbst
auf ebenen Wiesen wird steigender Radschlupf beobachtet. Gezogene Arbeitsgeräte wie Striegel, Mäh- und
Einsaatgeräte funktionieren nicht mehr, weil es zu Verschoppungen kommt. Das
Saatgut fällt statt ins Saatbett auf einen aufgeschobenen Erdhaufen aus losen,
abgestorbenen Wurzelresten. Derartiges Saatgut geht damit verloren. Diese Wutzel
aus losen absterbenden Wurzelresten und Erde verschoppen und blockieren auch
Mähgeräte, wurde mir berichtet. Erdverschmutztes Futter ist nicht
futtertauglich, es erhöht gesundheitliche Risiken und Stress bei Vieh und treibt
die Zellzahlen von Milch in die Höhe. Aufgrund des vorliegenden
Engerlingbefalles wird es 2019 auf tausenden Hektar engerlingsbefallener Wiesen
wenig oder kein taugliches Futter geben. Einer effizienten Neuanlage von zerstörtem
Grünland kommt daher eminente Bedeutung zu. Viele Wiesen mit abrutschenden, aufgelösten
Grasnarben mit jungen Unkrautbewuchs können maschinell nur erschwert oder gar
nicht bewirtschaftet werden. Es ist daher zu befürchten, dass es im Jahr 2019 im
engerlingsbefallenen Grünland zu einer dramatischen Futternot kommt.
Starke Unkrautausbreitung
Seit
dem Herbst baut sich auf nicht sanierten, engerlingszerstörten Grasnarben – zusätzlich
erschwerend - ein schwer einzudämmender Unkrautteppich auf. Statt einem
Futteraufwuchs überzieht dieser biodiverse Flor aus Ackerunkräutern sowie
unbrauchbaren futteruntauglichen Wiesenpflanzen die offen gewordenen Stellen
auf Engerlingswiesen. Statt
Futtergräsern überwuchern, bereits jetzt erkennbar, unerwünschte und
ungeeignete Pflanzenarten die Engerlingswiesen mit Hühnerdarm, Taubnessel, Wiesenschaumkraut, Hirtentäschel, Schafgarbe,
Spitzwegerich, Flechtstraußgras. Das
Vieh verweigert diese Arten als Futter, da sie geruchlich wie gesundheitlich
problematische repellende Inhaltsstoffe enthalten. Zudem sind engerlingsgeschädigte Wiesen nicht
ordentlich mäh-, ernt- und konservierbar
und sind somit nicht futtertauglich.
Zeigerpflanzen von
Engerlingswiesen
Typisch
für das Erkennen von Engerlingswiesen sind folgende Zeigerpflanzen, die meist
auch Nährstoffmangel- und Magerkeitszeigerpflanzen sind. Höhere Anteile bei folgenden
Pflanzenarten sind Indikatoren für Lücken und Nährstoffmangel: Ruchgras,
Spitzwegerich, Schafgarbe, Wiesenskabiose, Magerwiesen-Margerite,
Wiesen-Labkraut, Löwenzahnarten, Ferkelkraut, Jakobskreuzkraut. Wiesen mit hohen Anteilen dieser Arten sollten
auf Engerlingsbefall kontrolliert
werden, um die Engerlingsausbreitung rechtzeitig zu erkennen. Auskünfte zum raschen Erkennen dieser Arten
auch mit Fotos – auch in Früh- oder Kleinstadien - erhalten sie beim Autor.
Extensivierung erhöht die Engerlingsausbreitung
und die Landflucht
Treiber
der Engerlingsausbreitung ist nach Auffassung des Autors die landesweit forcierte
Extensivierung. Hinzu kommt dass kontraproduktive Förderauflagen für Grünland die
bodengesundende, engerlingshemmende Wechselwiesenwirtschaft verhindern. Stark
befallene Wiesen weisen meist eine mangelnde Nährstoffversorgung gepaart mit einem
minderwertigem Gräsergerüst auf. In der Folge vermehrt sich vielfach jenes
nutzlose Futter, das für eine zeitgemäße Viehhaltung mit immer mehr
Anforderungen und Auflagen nicht taugt. Die klassischen, wertvollen Futtergräser
verschwinden sukzessiv durch mangelnde Düngung und Regeneration. Zurück bleibt eine
magere, lückige, ausgedünnte Sukzessionsvegetation, die Engerlingen eine ideale
Vermehrungsgrundlage bietet. Die Verminderung der Bewirtschaftung der Berg- und
Almregionen ist Folge der Extensivierung mit ständigem Verdienstrückgang durch Verlust
des eigenverantwortlichen Wissens in der Futterproduktion. Parallel stiegen mit
der Extensivierung die soziale Landflucht. Das ist der Verlust von besiedeltem Kulturraum,
trotz jährlich einer Milliarde Agrarmittel für die Ländliche Entwicklung. Diese
neuen Freiräume und Wildnisgebiete nutzen nun vielmehr sukzessiv problematische
Pflanzen- und Tierarten. Dazu gehören tödlich wirkende Giftpflanzen, die in kaum
mehr gedüngten Futterwiesen auftreten (Kreuzkräuter, Herbstzeitlose) und auch gefährliche
zuwandernde Wildtiere (Bär, Wolf) durch den Wirtschaftsstillstand in den
besiedlungschwachen Landregionen. Sie
sind alle Zeiger schleichender Landflucht, forciert durch den Verfall der landeskulturellen
Landnutzung auf einer Million Hektar Grünland in Österreich infolge Entwicklungsstillstand
durch „gut gemeinte Extensivierungsprogramme“. Hinzu kommt die zunehmend landtechnisch
erschwerte Bewirtschaftung samt dem neuem und steigenden Engerlings-Unfallrisiko
am Berg.
Mehr
aktuelle Engerlingsinformationen im Web gibt es vom Autor mit folgender
Suchabfrage: „humer liste engerling publikationen“.
Der
Autor bietet Interessierten in betroffenen Gebieten zum Thema Vorträge, sowie Fachberatungen
am Hof an. Anmeldungen: johann.humer@gmail.com, M: 0664-8244458.
Fotos
zu engerlingszerstörten Wiesen in NÖ und ÖO
mit Narbenabsterben und Ödlandbildung
zu hinzukommenen Problemen mit Unkrautteppich
und Wildschäden engerlingszerstörten Wiesen
unter
Weitere Fotos in PPT-Vortrag von HUMER
PPT: Produktive Futterwiesen in Gefahr
PPT: Regeneration / Sanierung
engerlingsgeschädigter Futterwiesen
Fotos
engerlingszerstörten Bergwiesen im Dorf Valzeina in der
Schweiz, wo 2018 mühsam im steilen Berggebiet Pilzgerste mit 8 Personen alle
60cm mit Grabgabel 20cm tiefe Spalten gemacht und einige bepilzte Gerstenkörner
eingefüllt wurde und händisch zwischen 16-19.10.2018
die Wiesn neu angesät wurde.
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